Die
Sonne sinkt. (2012) für
Koloratursopran, Bratsche und Bassklarinette, 10'
Friedrich Nietzsche
Die Sonne sinkt.
1. Nicht lange durstest du noch, verbranntes
Herz! Verheissung ist in der Luft, aus unbekannten Mündern
bläst mich's an - die grosse Kühle kommt ...
Meine Sonne stand heiss über mir im Mittage: seid
mir gegrüsst, dass ihr kommt ihr plötzlichen Winde ihr kühlen
Geister des Nachmittags!
Die Luft geht fremd und rein. Schielt nicht
mit schiefem Verführerblick die Nacht mich an? ... Bleib
stark, mein tapfres Herz! Frag nicht: warum? -
2. Tag meines Lebens! die Sonne sinkt. Schon
steht die glatte Fluth vergüldet. Warm athmet der Fels: schlief
wohl zu Mittag das Glück auf ihm seinen Mittagsschlaf? In
grünen Lichtern spielt Glück noch der braune Abgrund herauf.
Tag meines Lebens! gen Abend gehts! Schon
glüht dein Auge halbgebrochen, schon quillt deines Thaus Thränengeträufel, schon
läuft still über weisse Meere deiner Liebe Purpur, deine letzte
zögernde Seligkeit ...
3. Heiterkeit, güldene, komm! du des Todes heimlichster
süssester Vorgenuss! - Lief ich zu rasch meines Wegs? Jetzt
erst, wo der Fuss müde ward, holt dein Blick mich noch ein, holt
dein Glück mich noch ein.
Rings nur Welle und Spiel. Was je schwer war, sank
in blaue Vergessenheit, müssig steht nun mein Kahn. Sturm
und Fahrt - wie verlernt er das! Wunsch und Hoffnung ertrank, glatt
liegt Seele und Meer.
Siebente Einsamkeit! Nie empfand ich näher
mir süsse Sicherheit, wärmer der Sonne Blick. - Glüht nicht
das Eis meiner Gipfel noch? Silbern, leicht, ein Fisch schwimmt
nun mein Nachen hinaus ...
aus den Dionysos-Dithyramben, entstanden in den letzten Wochen
des Jahres 1888
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